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Reformationsgottesdienst: Über die Zerstörung und den Schutz von Kulturgütern in der Ukraine

„Das kulturelle Erbe der Menschen zu bewahren, ist gelebte christliche Nächstenliebe!“

Reformationsgottesdiesnst Oppenheim

Zur Gastpredigt eingeladen war Prof. Dr. Matthias Müller, Kunsthistoriker an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz.

Der Gottesdienst zum Reformationstag am 31. Oktober 2022 in der Oppenheimer Katharinenkirche nahm ein aktuelles wie herausforderndes Thema in den Blick: das Kriegsgeschehen in der Ukraine und die Zerstörung von Kulturgütern.

Der Gottesdienst zum Reformationstag am 31. Oktober 2022 in der Oppenheimer Katharinenkirche nahm ein aktuelles wie herausforderndes Thema in den Blick: das Kriegsgeschehen in der Ukraine und die Zerstörung von Kulturgütern. Sie zu schützen, um die kulturelle Identität eines ganzen Landes zu bewahren, so der Kunsthistoriker Matthias Müller in seiner Gastpredigt, sei auch ein Zeichen christlicher Nächstenliebe und gleichzeitig Auftrag für eine erhoffte Zeit des Friedens in der Zukunft.

Corona-Pandemie, Klimakrise und seit einigen Monaten nun der Krieg in der Ukraine. Woher all die Kraft nehmen, um diesen Herausforderungen täglich neu zu begegnen, so die Frage von Olliver Zobel, Dekan des Evangelischen Dekanats Ingelheim-Oppenheim, zu Beginn des Gottesdienstes. Aus Jesus Christus Kraft schöpfen sei eine Möglichkeit, so Zobel. Eine weitere, Gott zu danken für die Liebe und Barmherzigkeit, an die der Reformationstag in Gedenken an den Thesenanschlag Martin Luthers immer wieder neu erinnere - und für die Hoffnung und auf Frieden, für den Gott eintreten wolle und seine Gläubigen dazu aufruft, Frieden zu stiften.

Gastprediger Prof. Dr. Matthias Müller: Kulturgüter materiell und ideell schützen

Das dies aktuell nicht immer ganz so einfach ist, zeigten Fotos zerbombter Häuserzüge, menschenleerer Straßen und beschädigter Kunstobjekte vor und in Museen. Es sind Bilder des „Netzwerks Kulturgutschutz in der Ukraine / Ukraine Art Aid Center“, die als Fotopräsentation im Anschluss an den Gottesdienst im Westchor der Katharinenkirche zu sehen waren. Bilder aus Kiew, der Hauptstadt der Ukraine, die auf das ganze Ausmaß einer Stadt in Trümmern und gleichzeitig die Zerstörung vieler Kulturdenkmäler, Kirchen sowie Museen hinwiesen. Zahlreiche Objekte und Denkmäler des Landes, darunter einzigartige historische Holzkirchen, gehören zum UNESCO-Welterbe. Das Leid der Menschen, hervorgerufen seit dem Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022, lässt sich nur erahnen.

In seiner Gastpredigt griff Prof. Dr. Matthias Müller, Kunsthistoriker an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz und Mitbegründer der Initiative, das Kriegsgeschehen in der Ukraine aus einem besonderen Blickwinkel auf: Mit der Zerstörung der Kulturgüter werde auch versucht, die kulturelle Identität der ukrainischen Bevölkerung auszulöschen.  Und so mischten sich in die Fotopräsentation ebenso Bilder von Hilfsgütertransporten insbesondere in den Osten des Landes. Das Ziel: so viele kriegsbedrohte Werke wie möglich zu retten. Anpacken, wo immer es geht. Die Unterstützung ist groß - zahlreiche Freiwillige, engagierte Museumsmitarbeitende und zentrale Kooperationspartner setzen sich für das bereits im März 2022 gegründete Netzwerk ein. Dennoch werden u. a. weiterhin alle erdenklichen Verpackungs- und Brandschutzmaterialien, Transportkisten oder Feuerlöscher benötigt. Auch Spenden werden gerne entgegengenommen. Informationen hierzu finden sich auf der Website der Initiative unter https://www.dug-ww.com/Kulturgutschutz_Ukraine.

„Merckbilder“ bereits im 16. Jahrhundert als religiöse Erinnerungskultur wichtig

Angesicht prachtvoll ausgestatteter Kirchen fragten sich bereits im 16. Jahrhundert viele Protestanten und Reformatoren, informierte Prof. Müller die Gottesdienstbesuchenden, ob es nicht „dem christlichen Glauben angemessener wäre“, die wertvollen Reliquiare, Schreine oder Heiligen- und Altarbilder zumindest zu verkaufen, um so die Kirchen „von unnützem Tand“ zu befreien und durch die Geldeinnahmen noch etwas sozial Gutes zu tun. Martin Luther, so der Kunsthistoriker weiter, habe dazu bereits 1522 eine klare Antwort gegeben: eine Zerstörung sei strikt abzulehnen, da sie auch im religiösen Zusammenhang „zum Gedechtnis, zum Zeychen“ seien. Luther wird dafür den Begriff „Merckbilder“ entwickeln, der für die Menschen damals wie heute zur Erinnerung ihres kulturellen Erbes von zentraler Bedeutung ist.

„Das kulturelle Erbe der Menschen zu bewahren, ist gelebte christliche Nächstenliebe“

„Kein Zweifel, humanitäre Hilfsmaßnahmen haben Vorrang“, stellte Prof. Müller klar. Trotzdem sein Appell: „Es gehört dennoch ebenso zum Gebot der christlichen Nächstenliebe, den in ihrer kulturellen Existenz bedrohten Menschen materiell wie ideell zu Hilfe zu kommen.“ Nur so könne auch die kulturelle Identität der Ukraine als kulturelles Erbe der Menschen für eine erhoffte Zeit des Friedens in der Zukunft gerettet werden.

„Eine feste Burg“ – große Musik für Orgel, Chor und Bläser

Durch die Liturgie führten Dekan Olliver Zobel, Pfarrer Michael Graebsch (Nierstein), DSV-Mitglied Hans-Peter Rosenkranz und Anja Wernicke, Vorsitzende des Oppenheimer Kirchenvorstands. Ob „Eine feste Burg“ von Martin Luther oder Werke von Bach und Vivaldi - große Musik für Orgel, Chor und Bläser brachte das Gotteshaus zum Klingen. Großartig musikalisch dargeboten von der Kantorei St. Katharinen unter der Leitung von Propsteikantor Ralf Bibiella, dem Posaunenchor St. Katharinen sowie den Bläserinnen und Bläser aus den Chören des Dekanats unter der Leitung von Johannes Kunkel, Landesposaunenwart der EKHN. Die Orgel spielte Kantorin Dr. Katrin Bibiella.

Zur Person: Prof. Dr. Matthias Müller

Der Kunsthistoriker lehrt Kunstgeschichte am Institut für Kunstgeschichte und Musikwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. Im Auftrag der Landesregierung von Rheinland-Pfalz ist er zudem als Vorsitzender des Ausschusses für nationalen Kulturgutschutz des Landes Rheinland-Pfalz sowie als stellvertretender Vorsitzender des Landesdenkmalbeirats von Rheinland-Pfalz tätig. Im März 2022 gründete er zusammen mit anderen Fachvertretern das „Netzwerk Kulturgutschutz Ukraine / Ukraine Art Aid Center“ zur Rettung kriegsbedrohter Kulturgüter und Museumssammlungen in der Ukraine und gehört zum Leitungsteam dieser Initiative.

Spendenkonto

Deutsch-Ukrainische Gesellschaft für Wirtschaft und Wissenschaft e.V.
IBAN: DE49 5519 0000 0653 9900 10
Kennwort: Ukraine-Hilfe / Museen / Kulturgutschutz

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